Schulalltag

(*inklusive peinlicher Anfängerfehler)

"Stell dich dann einfach deinen Mitschülern kurz vor", hat sie gesagt. "Du brauchst nicht nervös zu sein", hat sie gesagt. Das waren die Worte meiner Lehrerin an dem Tag, bevor für mich endlich die Schule anfangen sollte. Selbstbewusst, wie ich bin, habe ich nur abgewunken und ihr klargemacht, dass ich keine Angst davor habe, vor Menschen zu reden. 

 

So weit, so gut. Das einzige Problem, dass ich dann am ersten Schultag hatte, war, dass mit "Mitschüler" meine ganze Schule gemeint war und ich meine Coolness inklusive Spickzettel zu Hause vergessen hatte.

Das ist mir aber natürlich auch beides erst klargeworden, als ich durch eine auffällig große Tür unerwartet ins Off der Schulbühne trat. Wow, herzlichen Glückwunsch. Glücklicherweise hatte ich noch etwas Zeit vor meinem großen Debut, um mich etwas zu fangen. Zu dem Zeitpunkt, 

als ich dann den Schritt über die Schwelle tat, ging es mir wieder einigermaßen gut.

Doof war dann nur, dass dieser Schritt etwas flach ausfiel, ich über die Schwelle stolperte und mich plötzlich vor circa 1500 in sauberen Reihen aufmarschierten Schülern wiederfand, deren Aufmerksamkeit gänzlich auf mich gerichtet war.

Dieser Moment hatte wirklich die Qualität einer dieser schlechten Dramen, wo die neue Schülerin total unbeholfen und unsicher ist und keine Freunde findet, bis sich herausstellt, dass sie eigentlich Königin eines Meerjungfrauenpalastes ist und nur ihrem langweiligen Alltag entfliehen will (Ich spreche hier aus Erfahrung).

 

Meine Rede an sich ist eine graue Zone in meinem Gedächtnis, ist aber auch egal, die Leute hier sind viel zu höflich, um mich zu kritisieren.

Sportunterricht mal anders

Jup. Sport. Wer mich kennt, weiß wahrscheinlich von meiner Abneigung gegenüber diesem Schulfach (Ich meine mal im Ernst, warum bewertet man Leute für etwas, dass manchen einfach nicht liegt? Das gleiche gilt meiner Meinung nach auch für Kunst, mal abgesehen davon...).

Aber japanischer Sportunterricht ist anders, als ich es gewohnt bin. Am Anfang der Stunde marschieren alle Schüler in Reihen auf. Der Lehrer lässt sie dann so lange zwischen den Befehlen "Achtung" (Fersen zusammen, Arme und Hände an die Seite angelegt) und "Entspannen" (Füße hüftbreit auseinander, Hände hinter dem Rücken aufeinanderlegen) wechseln, bis er sich schließlich erbarmt und man sich verbeugt und zeitgleich sowas wie "los geht's" brüllt. (Die Befehle sind übrigens grob übersetzt :) ) 

In meiner ersten Sportstunde haben wir Marschieren und synchrone Befehlsbefolgung geübt. Ich hatte echt Glück, dass ich hinten in der Reihe stand, denn so konnte ich die Leute vor mir einigermaßen kopieren, um mich nicht komplett zu blamieren.

 

Schwierig wurde es dann nur, als die 180° Drehung dazukam und ich ganz vorne in meiner Reihe war. Ach was sage ich da, ich war komplett am ASDFHJK ICH MEINE OH MANN ALLE DREHEN SICH NACH LINKS UND DIE BLONDE MACHT EINEN SCHRITT NACH HINTEN OH MEIN GOTTTTTTT

 

 

 

Sport habe ich übrigens dreimal in der Woche.

auch die Mittagspause läuft anders ab

Wenn man sich über das japanische Schulleben informiert, stößt man relativ schnell auf das Stichwort "Bento", Lunchboxen nach japanischer Art.

Hier ist es nämlich üblich, dass Schüler ihr Mittagessen in Form von verschiedenen unterschiedlichen Gerichten, verpackt in oft mehrstöckigen Dosen mit zur Schule bringen. Oft enthält das Mittagessen Reis und diverses Gemüse, viele nehmen auch Fleisch- und Fischgerichte mit. Und noch dazu ist jedes Bento einmalig: Zweimal das Gleiche gibt es nicht.

 

Insgeheim hatte ich ja schon die Hoffnung, mal so ein echtes Bento zu probieren, aber das von meiner Gastmutter ist der echte Hammer.

Ich hätte nie gedacht, dass man so früh morgens so etwas zaubern kann!

Heute hatte ich eine Etage meiner Dose komplett mit Reis und Gemüse gefüllt und darüber war ein Omelett gelegt, das einfach perfekt hinein gepasst hat und es sah sooooooooo lecker aus... war es auch!

Ich frage mich, ob ich meiner Gastmutter nicht zur Last falle aber sie hat das nur verneint. Um wenigstens ein Zeichen meiner Dankbarkeit zu zeigen spüle ich meine Dose immer selbst und singe jeden Tag die Ode auf das Bento und um ehrlich zu sein, passiert das auch ganz von selbst, weil es einfach zu lecker ist. 

 

Soviel zum Thema "schmeckt das Essen?": Ja, das tut es! Was ich aber eigentlich loswerden wollte, ist, was hier in der Mittagspause passiert, denn daran muss man sich erstmal gewöhnen. Immer fünf Minuten nach dem Gong läuft auf dem ganzen Schulgelände die Schulhymne. Diese Hymne ist gewöhnungsbedürftig, weil sie 

 

a) existiert (also in Deutschland habe ich von sowas noch nicht gehört)

b) halb Oper und halb Choral ist und

c) einen Ohrwurm hinterlässt, obwohl man den Text nicht mal annähernd versteht.

 

Mittlerweile kann sie mich allerdings nicht mehr von meinem Essen ablenken. Das vermag selbst die lauteste Lautsprecheranlage nicht ;D

Sensei yasashii ne?!

Es ist wirklich interessant, wie in Japan das Verhältnis zwischen Lehrer und Schülern ist. Natürlich sieht man hier immer wieder Darbietungen von Respekt gegenüber dem klügeren (sowie natürlich älteren) "Sensei".

Vor und nach jeder Schulstunde verbeugt sich die ganze Klasse und auf dem Gang wird immer höflich gegrüßt. 

Aber es gibt auch Momente, in denen anscheinend all die (echt komplizierten) höflichen Floskeln und Ehrerbietungen beiseite gelegt werden dürfen.

 

Manchmal fangen Schüler im Unterricht einfach an, Smalltalk zu betreiben um die Stunde etwas abzukürzen. Die Lehrer gehen eigentlich immer darauf ein (hier ein kleiner Wink mit dem Zaunpfahl an meine deutschen Lehrer, jeder Schüler weiß so etwas zu würdigen😆) und nutzen die Gelegenheit, um sich mal hinzusetzen. Hier hat der Lehrer nämlich nur ein Rednerpult in der Front. Die Armen müssen die ganze Zeit stehen.

 

Wenn jemand mal die falsche Antwort gibt, kommen die Lehrer oft mit einem "urusseeendayo", was wirklich harte Umgangssprache für "halt die Klappe" ist. Hach, immer wieder lustig...

 

Es gibt aber natürlich auch unterschiedliche Typen von Sensei. Zum Beispiel bin ich mir ziemlich sicher, dass mich mein Sportlehrer hasst (Grund siehe oben🤣). 

Aber trotzdem ist er einer von den Lehrern, die auf ihre etwas radikale Art lustig sind. 

 

Und dann sind da diese Menschen, die eine Wolke aus Schlafmittel um sich zu haben scheinen. Da muss man dann einfach durch.

 

Es gibt aber auch sehr viele junge Lehrer und ich glaube, dass die überall auf der Welt gleich sind. 

Man erkennt sie daran, dass sie immer zehn Ordner, drei Textmarker, zwei Bleistifte und einen Block Notizzettel dabeihaben. Die sind eigentlich alle total nett und vergessen zur Abwechslung mal nicht, mir die Seiten aus dem Buch zu kopieren. 

 

Der Gegensatz zu ihnen wird gebildet von diesen Mathelehrern, die mit einem Stück Kreide und der Musterlösung in den Raum kommen, das Blatt abschreiben und wieder gehen. Und wirklich, das ist ein Fakt! In beiden Klassen, deren Mitglied ich war, ließ sich dieses Phänomen beobachten.

 

Außerdem gibt es noch einen Unterschied zu Deutschland: 

ALLE Lehrer tragen einen Anzug (die Lehrerinnen nicht) und wirken immer sehr seriös. Außer den Sportlehrern. Die haben einfach alle einen Adidas oder Nike Trainingsanzug an, dazu eine Trillerpfeife 

(die wird auch mal auf dem Gang eingesetzt) und Joggingschuhe. 

Zusätzlich gibt es noch diese beiden NW-Lehrer, die über ihrem Anzug einen Laborkittel tragen. Wahrscheinlich als Statussymbol.